Der Stakeholderdialog Biobased Industry beleuchtete auch heuer wieder die Möglichkeiten und Herausforderungen der biobasierten Industrie
Wien (OTS) – Nachwachsende Rohstoffe zu nutzen, bietet für die chemische Industrie, die zu einem großen Teil auf fossilen Rohstoffen basiert, eine wichtige Möglichkeit, um ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Lösungs- oder Bindemittel aus Holzabfällen, Kunststoffe aus Tomaten- oder Orangenschalen, Autoreifen aus Löwenzahn – all das ist heute bereits möglich. Doch warum gelingt der Umstieg nicht auf Anhieb?
„Der Umstieg auf eine biobasierte Industrie ist immer an die Frage nach der Verfügbarkeit der Rohstoffe gekoppelt“, erklärt Hubert Culik, Obmann des Fachverbandes der Chemischen Industrie in seiner Eröffnungsrede beim Stakeholderdialog Biobased Industry, der vom BMVIT in Kooperation mit dem Fachverband der Chemischen Industrie am vergangenen Freitag veranstaltet wurde. Im Rahmen einer Studie ließ der Fachverband der chemischen Industrie vom Institut für industrielle Ökologie berechnen, wie groß der Bedarf an Biomasse für eine vollständige Dekarbonisierung wäre: Mehr als 3 Millionen Tonnen an trockener Biomasse wären unter anderem für die Herstellung einiger ausgewählter Grundchemikalien nötig. Das entspricht in etwa dem gesamten Einsatz von Industrieholz in Österreich 2016. „Wir wollen weder zur Papierindustrie noch zur Lebensmittelindustrie in Konkurrenz um Rohstoffe treten. Daher kommen wir nur ans Ziel, wenn wir die vorhandenen biogenen Rohstoffe durch kaskadische Nutzung bestmöglich ausschöpfen“, schlussfolgert Culik. „Was an einer Stelle als Rest anfällt, ist an anderer Stelle wertvoller sekundärer Rohstoff.“
Beim Stakeholderdialog wurde anhand ausgewählter Projekte aufgezeigt, was mit den sogenannten Sekundärrohstoffen denkbar und zum Teil schon machbar ist. So kann etwa Abwasser genauso wie Hausmüll oder Schlachtabfall als Ausgangsstoff für chemische Grundstoffe dienen.
Abgesehen davon, dass die Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge an biogenen Rohstoffen zu klären ist, sind noch weitere Hürden zu überwinden. Die notwendige intensive Bewirtschaftung der Anbauflächen und Wälder werden im Konflikten zu dem Ziel einer schonenden Landwirtschaft führen. Insgesamt werden bahnbrechende technologische Fortschritte in Sachen Energie- und Rohstoffeffizienz in den Bereichen Mobilität, Wohnen und Lebensmitttelproduktion geschaffen werden müssen, bevor auf Kreislaufwirtschaft auf Basis biogener Materialien umgestellt werden kann.
Weiters ist es noch ein weiter Weg vom Erfolg im Labor zur Umsetzung im industriellen Maßstab. „Hier mag ich der Politik vor allzu übereilten Zielen abraten“, warnt Culik. „Wenn man von einigen technologisch etablierten Produkten absieht, steht die biobasierte Industrie noch am Beginn ihrer Entwicklung und kann noch nicht in allen Bereichen erdölbasierte Produkte ablösen. Hier liegt noch enormer Forschungsbedarf.“ Culik rät hier zu Anreizen anstatt zu gesetzlichen Vorgaben, um das richtige Umfeld für weitere Innovationen zu schaffen.
Der Besucherrekord von 140 Teilnehmern verdeutlicht das steigende Interesse an dem vielschichtigen Thema „Biobased Industry“, dem in Zukunft wohl eine Schlüsselrolle am Weg zur Dekarbonisierung zukommen wird.