Echte Strategie und Effektivität anstelle eines weiteren Alibi-Papiers vonnöten
Bis Ende März wollte die Bundesregierung eine neue Klima und Energiestrategie ausgearbeitet haben. Laut der Umweltorganisation VIRUS sei es nach Österreichs miserabler Kyoto – Performance und zwei gescheiterten Klimastrategien höchste Zeit, das Ruder herumzureißen, sonst drohe der dritte Strategieflop. Sprecher Wolfgang Rehm: „Es ist sprichwörtlich Eins vor Zwölf, leider lassen das Regierungsprogramm und erste durchgesickerte Informationen zu einer bevorstehenden Präsentation die Erwartungen tief sinken, da wichtige Bereiche ausgeklammert oder konterkariert werden. Stattdessen sollen Ansätze weiterverfolgt werden, die wiederholt und nachweislich versagt haben. Wir lassen uns aber gerne in der Nachspielzeit noch positiv überraschen“.
Nicht jede Sammlung von Absichtserklärungen ist Strategie
Dies beginne damit, dass nicht überall Strategie drinnen sei wo Strategie draufstehe, Strategie erfordere mehr als nur ein statisches Aktionsprogramm, sonst könne es wie beim Wiener KLIP passieren, dass sogar mehr Emissionen vermieden werden als geplant aber wegen der nicht vermiedenen Zuwächse keinerlei Emissionsreduktion ja sogar Zuwächse bilanziert erden musste. „Strategie braucht ein Gesamtkonzept, das auf dynamische Entwicklungen Rücksicht nimmt, Feedbackschleifen einzieht und den Willen und die Werkzeuge, inklusive deren Finanzierung, beinhaltet, bei Bedarf nachzulegen. Konkrete Maßnahmen sind unersetzlich aber ohne Überbau nicht hinreichend. Es hat seinen Grund, dass Österreich noch keine echte Emissionsreduktion geschafft hat“, so Rehm. Es brauche nicht Überschriften und Worthülsen sondern eine ressortübergreifende Top-Prioritätensetzung mit entsprechender finanzieller Bedeckung und den nötigen Rechtsinstrumenten, wie der Raumplanung. Derzeit sei nicht gewährleistet dass im Regierungsprogramm ja vorgesehene sinnvolle Einzelmaßnahmen wie Erhöhung des Radverkehrsanteils, Ausbau des öffentlichen Verkehrs, thermische Sanierungen von Gebäuden nicht mehrfach konterkariert werden.
Hauptfokus muss auf Verkehr liegen
„Um mit einer Klimastrategie Erfolg zu haben, muss die Scheu abgelegt werden, den Verkehrssektor als Ort der bisherigen Niederlage aufzusuchen und zum Zentrum aller zukünftigen Bemühungen zu machen“, fordert Rehm. Hier gelte es, umfassenden Einfluss auf Mobilitätsbedürfnisse und deren Abdeckung mit geringer Verkehrsleistung zu nehmen und diese klimafreundlich zu erbringen. Ein Ansatz, das bestehende Straßenverkehrsorientierte System unter Ausblendung des Güterverkehrs durch Austausch von PKWs gegen andere Antriebstechnologien und homöopathische Beimengungen von fragwürdigem Agrosprit beizubehalten, greife bei weitem zu kurz.
Bei allen wichtigen Einzelbeiträgen, die straßengebundene Elektromobilität zusätzlich zur elektrifizierten Bahn in der Zukunft vor allem im urbanen Bereich leisten könnte, kann es insbesondere angesichts des niedrigen Ausgangsniveaus von knapp 9000 Elektro-PKW keine schnellen großen Sprünge geben. Stattdessen gelte es, das Verkehrswachstum insbesondere auf der Straße einzudämmen anstatt es noch zu fördern und mit Geschwindigkeitsreduktionen und der 100%igen Durchsetzung ihrer Einhaltung mit wenig Aufwand große Emissionsreduktionen zu erzielen. „Kontraproduktiverweise wird aber am schuldenfinanzierten milliardenschweren Ausbau von überdimensionierter Autobahninfrastruktur festgehalten, der kurz und langfristig Straßenverkehr erzeugt und Flächenverbrauch, Zersiedlung und ausschließliche Autoabhängigkeit fördert, werden sogar Tempoerhöhungen beabsichtigt und werden gleichzeitig Bahnausbauprogramme gekürzt“, kritisiert Rehm. Die Mineralölsteuer müsse aufkommensneutral so angepasst werden, dass der Tanktourismus unattraktiv und kontraproduktive Förderungen, wie die Pendlerpauschale für PKW gestrichen werden. Nicht zuletzt deshalb brauche es aber ein flächendeckendes attraktives Angebot an öffentlichem Verkehr mit Transportgarantie nach Schweizer Muster, dem der Vorzug vor der Konzentration auf einzelne Prestigeprojekte zu geben sei. Völlig in die verkehrte Richtung gehe auch der Plan einer Umleitung der „Neuen Seidenstrasse“ nach Österreich. „Wenn das Projekt floppt ist es jedenfalls ein Milliardenverlust, ansonsten bedeutet es zusätzlichen klimaschädlichen LKW-Verkehr in Österreich und global eine Verlagerung vom effizienteren Hochseeschiff zur Bahn und somit eine schlechtere Klimabilanz“, warnt Rehm.
Weg von der Konzentration nur auf Elektrizität
Elektrizität mache derzeit nur ca. 20% des Energieeinsatzes beim Endverbraucher aus, genieße aber in der Diskussion 99% der Aufmerksamkeit. „Dies muss zu jener Fehlallokation von Ressourcen führen, deren fataler Wirkung wir seit dem Kyoto-Abkommen beobachten können. Am Wirksamsten wäre es daher, für einige Jahre Strom als zweitrangige Problematik auszublenden und sich nicht in den ewiggleichen Kraftwerksdiskussionen zu verlieren, die nichts bringen,“ so Rehm. Von Energie zu reden aber nur Elektrizität zu meinen müsse schleunigst aufhören, das helfe weder beim Verkehr noch bei der Raumwärme und damit den Schlüsselsektoren. „Und wenn man schon bei der Elektrizität etwas tun will, was in zweiter Priorität sinnvoll dann braucht es über Effizienzrhetorik hinausreichende Maßnahmen zur Stromverbrauchsreduktion in den klassischen Nachfragebereichen und zumindest eine Parität mit den für die Angebotserhöhung eingesetzten Finanzmitteln“, fordert Rehm. Dies sei auch deshalb geboten, um wieder Puffer für erwartbare zusätzliche Elektrizitätsanwendungen zu haben.
Wasserkraft-Wunderglaube nicht hilfreich
VIRUS warnt die Bundesregierung davor, weiter jenem Wasserkraft-Wunderglauben anzuhängen der für die Kyoto Misere hauptverantwortlich gewesen sei. „Die These Österreich sei wegen der Wasserkraft, die alle anfallenden Energieprobleme wie von selbst löse, ein übergesegnetes Land und deshalb können vollmundig erst 25% und dann 13% Emissionseduktion angeboten werden ist auf dem harten Boden der Realität aufgeschlagen“, warnt Rehm. Bis zu 18%-Treibhausgasemissionszuwächse gegenüber dem Ausgangsniveau im Rekordjahr 2005 und mehr als 250 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente kumulierter Mehremissionen bis 2015 seine das traurige Ergebnis dieser Selbstüberschätzung, dieser Ansatz somit gescheitert. Bereits die Verfünffachung der Wasserkraft-Erzeugungskapazitäten in der Nachkriegszeit habe den dennoch sinkenden Anteil an der Versorgung nicht aufhalten können, mit dem vergleichsweise kläglichern Restpotenzial seien schon gar keine großen Sprünge mehr zu machen. Allenfalls würden aber wertvolle Gewässer zerstört und stellten weiters die jahrelangen Vorlaufzeiten bei den UVP-Projekten die letztklassige Planungsqualität bei überheblichen Stromgesellschaften bloß. Bei allem Nutzen bestehender Ausbauten könne diese Technologie keine Wunder bewirken.
Klimawende mit Steuern steuern
Nicht vergessen werden dürfe die bisher von der Regierung komplett vernachlässigte ökosoziale Steuerreform als wesentliches Steuerungsinstrument einer Klimawende. „Eine CO2 Steuer begleitet von Entlastungen in anderen Bereichen ist hier nur ein Baustein der erforderlichen Abkehr von der Förderung jeglicher pauschal als gut erachteter Wachstumsprozesse, die letztendlich auch zu jenen Green Jobs führt, deren Schaffung sich die Regierung ja vorgenommen hat“, so Rehm. Die viel versprechenden Ansätze mittels übergeordneter Raumplanungskompetenzen für Verbesserung zu sorgen müssten ergänzt werden. „Ohne Reform des Finanzausgleichs weg von der Gießkanne nach Hauptwohnsitz, ohne Rückwidmung von Baulandreserven wird es nicht gehen. Genehmigungskriterien und die Möglichkeit der Vorschreibung von Kompensationsauflagen für Flächenverbrauch und Treibhausgasemissionen werden dringendst benötigt“, so Rehm abschließend.